Wenn ich daran denke, wie leichtfertig ich früher mit meiner Gesundheit und meinem Leben umgegangen bin, kann ich nur schmunzelnd den Kopf schütteln. Beides hielt ich für selbstverständlich, heute ist das anders. Jetzt glaube ich, dass jeder Tag, den ich gesund leben darf, ein Geschenk ist, das einem nur allzu schnell für immer genommen werden kann. Aber lasst mich von Anfang an erzählen...
Als ich an diesem Tag aufwachte, sah ich draußen die Sonne scheinen. Ich war recht gut gelaunt und bereitete mich darauf vor, in die Schule zu gehen. Es schien ein ganz normaler Tag zu werden. Auf dem Weg zum Bus schaute ich auf meinen Stundenplan und freute mich als ich Chemie für den heutigen Tag entdeckte. Nachdem ich im Bus meine Freunde Tobias und Dominik sah, wurde meine Stimmung schlagartig noch besser. Wir witzelten rum und überlegten, was wir wohl für ein spannendes Experiment in Chemie durchführen würden, von dem unsere Lehrerin uns schon in der letzen Stunde erzählt hatte. Tobias glaubte, dass es irgendetwas mit Feuer zu tun haben würde. Er sollte Recht behalten...
Nachdem wir alle im Chemiesaal, der im 1. Stock lag, Platz genommen hatten, begannen wir mit den Vorbereitungen für das Experiment. Wir würden eine Knallgasexplosion durchführen. Tobias, Dominik und ich waren hellauf begeistert. Nachdem wir alles vorbereitet hatten, bat unsere Lehrerin Tobias nach vorne um ihr zu assistieren. Zu diesem Zeitpunkt beneidete ich ihn, heute schäme ich mich für diesen Gedanken. Nun zündete Tobias den Gasbrenner an und erhitzte ein Metallstück, die Spannung stieg. Unsere Lehrerin tröpfelte mit einer Pipette einige Tropfen Leitungswasser auf das erhitzte Metallstück. Auf einmal war es nur noch dunkel...
Als ich wieder zu mir kam, konnte ich die Hand vor Augen kaum sehen. Es war alles voller Rauch. Meine Ohren dröhnten, und ich konnte kaum atmen. Meine Lungen fühlten sich an, als hätte jemand kochendes Wasser hinein geschüttet. Durch den Raum hallten markerschütternde Schreie des Schmerzes. Mit Mühe und Not schaffte ich es zum Fenster. Ich riss es auf um atmen zu können. Ich sah mich um und bemerkte, dass es mir meine Klassenkameraden gleich taten. Auf einmal tauchte Dominik neben mir auf. Ich war sehr froh, ihn augenscheinlich wohlauf zu sehen. Doch zu meiner Erleichterung gesellte sich auch die Sorge um Tobias - wo war nur Tobias? Ich hoffte nur, dass es ihm gut ginge.
Aber endlich hörte ich nicht nur Schreie in der Luft, nein, ich hörte mir nur allzu bekannte Töne - es waren Martinshörner. Es war, als fiele mir ein Stein vom Herzen: die Feuerwehr war unterwegs. Der Moment, als ich die roten Fahrzeuge auf den Hof fahren und die Feuerwehrmänner in voller Montur herausspringen sah, war wohl einer der schönsten in meinem bisherigen Leben. Sofort begannen Dominik und ich mit all den uns noch gebliebenen Kräften „Hilfe“ zu schreien. Mir kam es vor, als wären keine 20 Sekunden seit unseren ersten Hilferufen vergangen, als auch schon eine Leiter am Fenster angelehnt wurde und Feuerwehrmänner zu uns nach oben kamen. Sie fragten uns, ob wir oder andere verletzt wurden, und brachten Dominik und mich über die Leiter nach unten in Sicherheit. Zur selben Zeit gingen andere Feuerwehrleute weiter ins Innere des Raumes. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf Tobias und unsere Lehrerin: beide schienen schwer verbrannt zu sein und rührten sich nicht. Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas so Furchtbares gesehen.
Nachdem ich unten angekommen war, wurden Dominik und ich sofort von Feuerwehrmännern zu den Helfern der JUH gebracht, die uns weiter versorgten. Es hatte uns nicht allzu schlimm erwischt. Später erzählte man uns, dass wir mit sogenannten leichten Rauchgasvergiftung davon gekommen waren. Wir hatten einen unfassbar großen Schutzengel. Tobias und unsere Lehrerin hatte es da weitaus schlimmer getroffen. Sie hatten schwere Verbrennungen am Hals und im Bereich der Brust erlitten, aber beide haben überlebt.
Alle Bilder in der Galerie:
Noch heute staune ich, wie schnell die Einsatzkräfte mit der Situation zurechtgekommen sind. Ich habe später erfahren, dass es sich bei diesem Einsatz um einen sogenannten MANV handelte, einen Massenanfall an Verletzten. Unglaublich schnell wurden zwei gesamte Klassen evakuiert und gerettet. Des Weitern wurde eine Verletztensammelstelle eingerichtet. An dieser erhielt jede betroffene Person aus der Schule eine Karte, die entsprechend seines Gesundheitszustandes eine bestimmte Farbe hatte.
Dieser Tag hat mich gelehrt, dass Gesundheit und Leben nicht selbstverständlich sind. Man sollte beides zu schätzen wissen.
Das im vorangegangenen Text beschriebene Szenario war nur eine Einsatzübung der Löschgruppe Urbach gemeinsam mit der Einsatzeinheit Köln Süd der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH), welche im Stadtgymnasium Köln-Porz durchgeführt wurde. Mir war zu jeder Zeit bewusst, dass es sich hierbei lediglich um eine Übung handelte und die anderen Übungsteilnehmer und ich uns zu keiner Zeit in Gefahr befunden haben. Diese Übung hat mir auf der einen Seite sehr viel Spaß gemacht, auf der anderen Seite hat sie mir aber auch einen guten Einblick in die Arbeit der Feuerwehr gegeben. Abschließend kann ich nur sagen, dass sich die Teilnahme an dieser Übung für mich sehr gelohnt hat und ich immer wieder bereit wäre an einer solchen teilzunehmen.